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Die Geschichte vom

Mannheimer Tierschutz

Teil 1 – 1889 bis 1945

Pferde sind das Transport- und Fortbewegungsmittel dieser Tage zum Ausgang des 19. Jahrhunderts. Während die Haute-volée in vornehmen Zwei- oder Vierspännern mit gepflegten Tieren zu Veranstaltungen fährt und die Dragoner noch ihre Kaserne in M 3a haben, ziehen mehr oder weniger geschundene, teilweise abgemagerte Pferde eisenbereifte Fuhrwerke durch die Stadt und über die noch vielerorts unbefestigten Straßen. Nicht selten versinken die Wagen im Morast und die Zugtiere werden unbarmherzig mit Schlägen bis ans Ende ihrer Kräfte gefordert. Ein Gaul, der nichts mehr taugt, landet bei einem der noch zahlreichen Pferdemetzger. In Mannheim endet zu dieser Zeit die beschiffbare Strecke des Rheins und der Binnenhafen wird zu einem der bedeutendsten Umschlagplätze ausgebaut. Von hier gehen die Transporte auf dem Neckar und dem Landweg weiter. Im Bereich dieser Umschlagplätze setzt man auf die Kraft der Pferde, koste es was es wolle. Endlich, im Jahre 1889, möchten einige Bürger unserer Stadt den Pferdeschindern nicht mehr untätig zusehen.

Erste Rufe nach einem Tierschutzverein werden laut. Im Generalanzeiger Mannheim ist am 30.06.1889 zu lesen:
*Thierschutzverein. Aus unserem Leserkreis erhalten wir folgende beachtens-werthe Anfrage: „Sollte es nicht möglich sein, daß hier ein Thierschutzverein ins Leben gerufen wird? Es kommen an den Ausladeplätzen am Neckarvorland so viele Fälle von Pferdeschinderei rohester Art vor, daß es endlich Zeit wäre, daß diesem empörenden Unfug Einhalt gethan wird.“

Ein weiterer Artikel mit dem gleichen Bestreben folgt drei Wochen später, doch die Sache kommt zunächst nicht ins Rollen.

In diesem Jahr wird unser Mannheimer Wasserturm fertiggestellt und der 1. Mai wird in Deutschland zum offiziellen Arbeiterfeiertag erklärt. Mehr als zwei Jahre wird das Thema Tierschutz dann nicht mehr öffentlich diskutiert. Daimler hat 1891 die ersten Lastkraftwagen gebaut, was den Einsatz der Pferde zunächst nicht spürbar ändert. Die Mannheimer Tierschützer verlieren deshalb ihre Idee nicht aus den Augen, und so schreibt der Generalanzeiger am 17.09.1891 erneut:

*Gründung eines Thierschutzvereines. Der Gedanke der Gründung eines Thierschutzvereines in unserer Stadt scheint in der hiesigen Einwohnerschaft lebhafte Sympathien gefunden zu haben. So erhalten wir neuerdings von geschätzter Seite folgende Zuschrift: „Die in Ihrem geschätzten Blatt vorgestern gebrachte Notiz über die Nothwendigkeit eines Thierschutzvereines in Mannheim wird gewiß von Vielen freudig begrüßt. Es ist ganz unverständlich, daß man in hiesiger Stadt einen solchen Verein dem Anschein nach noch nicht für nothwendig hält, während in allen größeren Städten ein solcher Schutz besteht.“

Doch dann verdrängen andere wichtige Themen den Tierschutz vollkommen aus der Presse. Bereits 1892 kommt es zu ersten Stagnationen in der deutschen Wirtschaft. Krankheiten beuteln die deutschen Großstädte. In Hamburg kommen in diesem Jahr fast 8.000 Menschen durch eine Cholera-Epidemie ums Leben. Auch Städte wie Mannheim bleiben nicht verschont. Bei etwa 40% der Bevölkerung unserer großen Städte ist Tuberkulose die Todesursache.

Erst um die Jahrhundertwende geht es mit der Deutschen Wirtschaft zumindest zeitweise wieder bergauf. Das erste Luftschiff von Graf Zeppelin, die LZ 1, ist 1900 in der Luft und Bopp und Reuther, Benz und Heinrich Lanz sind bereits Mannheimer Wirtschaftsgrößen. Strebel gründet das gleichnamige Werk ebenfalls um 1900. 1901 ist in Mannheim Otto Beck Oberbürgermeister. Er macht Mannheim zur Großstadt. Zum Jahreswechsel 1900/1901 nimmt die erste „Elektrische“ in Mannheim Fahrgäste auf. Bis dato besteht die Mannheimer Straßenbahn aus 36 Pferdewagen. Am Tattersall wird immer umgespannt.

Gründung des Tierschutzvereins im Jahr 1901 und Bau des ersten Mannheimer Tierheims

Im April des Jahres 1901 wird endlich der Tierschutzverein Mannheim beim Registergericht als Verein eingetragen. Ebenfalls gleich nach der Jahrhundertwende entsteht das erste Mannheimer Tierheim am Waldpark, damals noch weit außerhalb der Wohnbebauung. Im Gründungsjahr 1901 werden im Mannheimer Zeughaus „zur Belehrung von Jung und Alt“ die „biologischen Gruppen“ ausgestellt, eine natur-kundliche Ansammlung ausgestopfter Tiere, gestiftet von Carl Reiß. Im gleichen Jahr ist der Rosengarten eine Großbaustelle. Er wird erst 1903 fertiggestellt. 1903 wird in Tierversuchen die schädigende Wirkung der Röntgenstrahlen nachgewiesen. 1910 werden bei einer Volkszählung fast 65 Millionen Deutsche gezählt.

Mannheim hat jetzt 193.902 Einwohner. 1911 entstehen weltpolitische Wirren unter anderem durch die „Kanonenboot-Politik“ des deutschen Kaisers. England und Rußland treffen erstmals Kriegsvorbereitungen. 1912 scheint der 1. Weltkrieg bereits unabwendbar. 1913 erfährt die deutsche Wirtschaft einen Aufschwung. 1914 wird Theodor Kutzer Oberbürgermeister von Mannheim und bei Ausbruch des 1. Weltkrieges 1914 ist Mannheim die stärkste Wirtschaftsmacht Badens.

Erster Weltkrieg und Nachkriegszeit – Im Jahr 1927 etwa zweitausend Hunde im Tierheim getötet

Wen wundert es bei all diesen Ereignissen, dass sich aus dieser Zeit im Stadtarchiv keine Eintragung und kein Artikel mehr über den Tierschutz findet. Ausgerechnet im Jahre 1915, also während des 1. Weltkrieges, gibt es weitere Aufzeichnungen des Stadtarchivs über unseren Verein. In einem Artikel wird über die „17. ordentliche Mitglieder-Versammlung des Tierschutzvereines Mannheim“ berichtet, die im Kaffee „Zur Oper“ stattfindet. 1. Vorsitzender ist damals der Fabrikdirektor Benno Danziger. Die Zahl der in der Stadt streunenden, verwilderten Hunde und Katzen ist mit heutigen Verhältnissen nicht zu vergleichen.

Nach dem damaligen Jahresbericht werden im Tierheim Mannheim 1914 „gegen Bezahlung 712 Hunde und 246 Katzen und ohne Bezahlung 334 Hunde und 321 Katzen getötet“. Diese Zahlen werden sich auch in den Folgejahren nicht wesentlich ändern.
In einem der folgenden Jahresberichte ist zu lesen: „Die meisten Tötungen waren erforderlich, um die Tiere vor dem Verhungern zu bewahren oder um solche nicht in die Hände von Hundeschlächtern geraten zu lassen.“

Die Mannheimer Bevölkerung hungert ebenfalls. Lebensmittel werden rationiert. Brieftauben werden zunehmend für den Nachrichtendienst des Heeres eingesetzt.
Das Tierheim Mannheim stellt „einem Aufruf folgend … für militärische Annahmestellen 22 geeignete Hunde für den Wach- und Sanitätsdienst“ zur Verfügung.“

Am 06.04.1917 erklären die USA Deutschland den Krieg, am 24.04.1917 findet im Nationaltheater in Mannheim die 300. Aufführung der „Zauberflöte“ statt und am 29.05.1917 berichten die Badischen Neuesten Nachrichten unter anderem auch wieder über Aktivitäten des Tierschutzvereines Mannheim und dessen 19. Mitgliederversammlung. Der Verein zählt zu dieser Zeit kriegsbedingt noch 406 Mitglieder. Der Schutz der einheimischen Vogelwelt nimmt wie jedes Jahr einen wichtigen Platz ein, jedoch fällt die Winterfütterung mangels Futter aus. „Die Reste des noch vorhandenen Personals der Stadtgärtnerei taten das Nötigste zur Erhaltung der Vogelwelt.“, steht im Pressebericht.

Am 11.11.1918 dann das Kriegsende. 8 Millionen Menschen wurden getötet, fast ebenso viele vermisst und 21 Millionen verwundet. Der Tierschutzverein Mannheim steht vor einem Neuaufbau. Nur noch 344 Mitglieder sind zu zählen. Der Pachtvertrag des Grundstückes des Tierheimes am Waldpark ist gekündigt. Man war bis zu dieser Zeit dort nur Untermieter. Kurzerhand entschließen sich die Mannheimer Tierschützer die Gebäude zu kaufen und mit der Stadt für das Gelände einen eigenen Pachtvertrag abzuschließen. Der Bestand des Tierheimes ist gesichert.

1923 kostet ein Brot 130 Milliarden Mark. Die Stadt Mannheim verteilt eigenes Notgeld. 1924 werden dann eine Billion alte Mark in eine Reichsmark getauscht und der Handel und die Wirtschaft erholen sich in den nächsten fünf Jahren. Schon 1925 schreitet die Stadterweiterung so rapide voran, dass die Bebauung und die Erwei-terung des Rheindammes nun an das Tierheim grenzen. Mannheim hat inzwischen einen hauptberuflichen Hundefänger, der streunende Hunde, sowie Hunde ohne Steuermarke einfängt und in das Tierheim bringt. Tierbesitzer haben drei Tage Zeit, sich um ihr Tier zu bemühen, dann kann es vom Tierheim „verkauft oder getötet“ werden.

Das Futter der Tiere im Tierheim besteht aus Abfällen des städt. Krankenhauses und des Schlachthofes. Das tägliche Pflegegeld für einen Hund beträgt je nach Größe zwischen 80 Pfennigen und 1,50 Mark. Die Stadt hat indessen kein Geld für dringende Reparaturen im Tierheim. Man stellt dem Tierschutzverein einem Bericht der „Neuen Mannheimer Zeitung“ vom 29.08.1925 zu Folge nur einen Kredit zur Verfügung, den der Tierschutzverein verzinst zurückzahlen muss.

1927 werden in Mannheim in der Nähe des Tierheims das Strandbad und zwischen Feudenheim und Heidelberg der Neckarkanal eröffnet, und das Ufa-Lichtspielhaus inP 6 zeigt Willi Fritsch im „Walzertraum“ und Emil Jannings als „Mephisto“. Der Tierschutzverein Mannheim (zu diesem Zeitpunkt heißt der Verein „Tierschutzverein Mannheim-Ludwigshafen“) bezieht seine neue Geschäftsstelle in R 3, 12. Der Tierheimleiter, Herr Zimmermann, berichtet laut „Neue Mannheimer Zeitung“ vom 14.09.1929, dass im Jahre 1927 etwa 2.000 Hunde im Tierheim erschossen wurden,„an manchen Tagen bis zu 70 Stück“.

Die Stadt hatte die Hundesteuer auf die deutsche Rekordhöhe von 60 Mark erhöht. Das Tierheim gibt keine Hunde an neue Besitzer unter 10 Mark ab, weil man verhindern will, dass die Tiere zum Schlachten erworben werden.

Tierschutzverein Mannheim-Ludwigshafen trennt sich in zwei Vereine

Theodor Kutzer ist in diesem Jahr noch Oberbürgermeister der Stadt Mannheim. Er wird 1928 von Hermann Heimerich im Amt abgelöst. 1929 wird ein Pferd im Tierheim angeschafft, das den Karren mit dem Futter vom städt. Krankenhaus zum Tierheim zieht. Bis dahin zog ein Hund den Wagen mit der schweren Last.

Im bitterkalten Winter dieses Jahres gefriert der Rhein zu. Die Mannheimer laufen Schlittschuh auf dem Strom und die Raddampfer liegen im Eis fest. Die Tierschützer werden in diesem Winter nicht müde, die heimischen Vögel vor dem Hungertod zu retten. 1929 zählt der TSV Mannheim-Ludwigshafen etwa 1.000 Mitglieder, nachdem Ludwigshafen nun einen eigenen Tierschutzverein ins Leben gerufen hat.
Der Verein erhebt seine Stimme gegen das Schächten von Tieren und alle zwei Monate erscheint das Vereinsblatt „Der Tierfreund“. Noch immer sind Pferde die Arbeitstiere Nummer eins. So bemängelt der Tierschutzverein, dass noch viele Pferdefuhrwerke ohne Bremse fahren, was für die Tiere an den Straßengefällen der Rheinbrücke, der Lindenhofüberführung und des Neckarauer Überganges zur reinen Tierquälerei wird.

1930 schließt der damalige 1. Vorsitzende, der Hauptlehrer Linder, die Mitgliederversammlung mit den Worten: „Wenn wir um den Tierschutz kämpfen, so kämpfen wir für die Menschlichkeit.“ Worte, die bis heute nichts an ihrer Gültigkeit verloren haben. Im gleichen Jahr findet unter seiner Leitung die erste große Veranstaltung anlässlich des Welttierschutztages in Mannheim statt.

Ebenfalls 1930 wird „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich zum Kassenschlager in den „Alhambra Lichtspielen“ in P 7. Das Kabinett von Reichskanzler Müller tritt zurück und die NSDAP wird zweitstärkste Partei im Reichstag. Die Weltwirtschaftskrise führt zu wachsender Arbeitslosigkeit. Es kommt zu ersten Massenaufmärschen der SA.

1932 sind sechs Millionen Deutsche ohne Arbeit. Eine Streikwelle zieht über Deutschland. Auch die Industriestadt Mannheim ist schwer betroffen. Der Österreicher Adolf Hitler wird deutscher Staatsbürger. In diesem Jahr bezieht der Tierschutzverein Mannheim-Ludwigshafen (er heißt trotz der Abspaltung des Ludwigshafener Vereins noch immer so) neue Geschäftsräume in T 2, 14, die ihm kostenfrei von der Stadt zur Verfügung gestellt werden. Das Symbol des Vereines ist der heilige Franziskus mit den Tieren. Am 30.01.1933 wird Hitler Reichskanzler. Das „Dritte Reich“ entsteht.

Tierschutz im „Dritten Reich“

Ab 1933 können Vereine in Deutschland ihre Vorsitzenden nicht mehr selbst bestimmen, sie können sie nur noch vorschlagen. Die „Neue Mannheimer Zeitung“ schreibt am 02.06.1933, dass „Adolf Hitler den in grausamster Weise zu Tode gemarterten Schlachttieren ein Gnadengeschenk bereite, um das seit Jahrzehnten Tierschutzvereine gekämpft haben. Es ist dies das Reichsgesetz über das Schlachten von Tieren, das ab Inkrafttreten am 01.05.1933 das Betäuben jedes Schlachttieres vor der Schlachtung vorschreibt.“

Im Juli 1935 erhält der Tierschutzverein Mannheim-Ludwigshafen den Namen „Tierschutzverein Mannheim und Umgebung“ und gleichzeitig einen neuen Vorstand. Die Mitgliedschaft trifft sich im „Ballhaus“ zur außerordentlichen Mitgliederversammlung. Man nimmt eine vorgegebene Einheitssatzung des Reichstierschutzvereines an, der dem Reichministerium des Innern unterstellt ist. Der jährliche Mitgliedsbeitrag wird auf 4 Mark festgesetzt. Den 115 anwesenden Mitgliedern stehen zwei Wahllisten zur Verfügung. Die 1. Liste wird angenommen und „Berlin zur Bestätigung“ vorgelegt.

1. Vorsitzender wird der Rektor August Ersig, sein Stellvertreter wird Dr. Leiber, Regierungsrat im Polizeipräsidium. 1939 beginnt der zweite Weitkrieg. In der Nacht vom 5. auf den 6. September 1943 erlebt Mannheim den bis dahin schwersten Luftangriff. Mehr als ein Viertel der Bevölkerung der Stadt wird obdachlos. 414 Menschen sterben in dieser Nacht.

Bis 1945 wird Mannheim Ziel von über 150 Luftangriffen, bei denen fast alles vernichtet wird. Auch das Tierheim am Waldpark wird zweimal zerstört. Mannheim, die einstige Handels- und Industriemetropole, die Hafenstadt, das Zentrum bedeutender geistiger, kultureller und künstlerischer Bewegungen liegt in Trümmern. Von ehemals 280.000 Einwohnern leben in Mannheim bei Kriegsende noch etwa 100.000.

Teil 2 – 1945 bis 2006

Deutschland im Jahr 1945. Tausende Mannheimer Bürger sind durch den Krieg ums Leben gekommen. Ein Großteil der Städter flieht vor den über Ludwigshafen anrückenden Alliierten in Richtung Odenwald. Die deutsche Wehrmacht sprengt am 20. März 1945 die Rheinbrücke, um den Einmarsch aufzuhalten. In den letzten und schrecklichen Kriegstagen wird die durch Bombenteppiche zerstörte Stadt nun von der Pfälzer Seite her unter Artilleriebeschuss genommen. In Sichtweite der vorrückenden Amerikaner liegt über dem Rhein auch das Tierheim in Mannheim im dortigen Waldpark.

In Sichtweite des Tierheims bauen die Amerikaner eine Behelfsbrücke über den Rhein. Im Hintergrund die zerstörte Rheinbrücke.

In den ersten beiden Jahren nach Kriegsende gibt es in Mannheim aus nachvollziehbaren Gründen keinen organisierten Tierschutz mehr. Nur einige wenige Mannheimer Tierschützer kümmern sich um das zerstörte Tierheim im Waldpark. Die Menschen haben andere Probleme. Fast jeder noch Lebende verlor nächste Angehörige, ist verwitwet oder verwaist. Wer überlebt hat, haust in der zerstörten Stadt in Ruinen und Kellern. Wessen Wohnraum verschont blieb, der teilt ihn jetzt mit Obdachlosen und Flüchtlingen. Die Wohnungs- und Hungersnot ist unvorstellbar. Unzählige sind kriegsversehrt, fast alle unterernährt. Essen gibt es nur noch rationiert, wenn überhaupt. Zeitweilig müssen die Menschen mit 800 Kalorien täglich leben. Holz und Kohle sind Mangelware in den strengen Wintern nach dem Krieg. Der Winter 1946/1947 wird einer der kältesten des ganzen Jahrhunderts.

Das Tierheim im Bereich des Waldparks war in den Kriegsjahren zweimal zerstört worden. Die nahe gelegene Großindustrie, wie Heinrich Lanz auf dem Almenhof und die Rheinische Gummi- und Celluloid-Fabrik in Mannheim-Neckarau (ehem. „Schildkröt“), aber auch die Rheinbrücke waren strategische Ziele bei den zahlreichen Luftangriffen auf Mannheim gewesen. Bei solchen Angriffen wurden auch die angrenzenden Wohngebiete und das Tierheim sehr in Mitleidenschaft gezogen.

Bei Kriegsende ist noch immer der Hauptlehrer Hermann Kunze (seit 18.02.1936) als 1. Vorsitzender des Tierschutzvereines in das Vereinsregister eingetragen. Tätigkeiten des Tierschutzvereines finden in den ersten beiden Jahren nach dem Krieg faktisch nicht statt. Lediglich das Tierheim im Waldpark besteht in dieser Zeit weiter. Im Jahre 1947 reagiert der Erste Vorsitzende dann auf Aufforderungen mehrerer Tierschützer und ruft den Tierschutzverein wieder ins Leben. Zu dieser Zeit herrscht in Mannheim noch immer größte Not und der Schwarzhandel blüht.

Erst die Währungsreform am 20. Juni 1948 leitet einen spürbaren Wandel ein. Am 20. Juni können alle Personen mit den Anfangsbuchstaben A bis K und am 21. Juni alle von L bis Z 60 Reichsmark in 40 neue D-Mark umtauschen. Oberbürgermeister Dr. Cahn-Garnier informiert die Mannheimer Bevölkerung über die Einzelheiten und die Umtauschstellen im Mannheimer Morgen. Oskar Riester (der ab 1955 für viele Jahre die Geschicke des Tierschutzvereines als 1. Vorsitzender leiten wird) ist damals Leiter der Schutzpolizei in Mannheim. In einem Rapport vom 21.06.1948 berichtet er dem Polizeipräsidenten: „Der erste Tag für die Ausgabe des neuen Geldes verlief, mit einigen kleinen Ausnahmen, ohne Zwischenfälle. (…) Der Schwarzhandel hat am Sonntagmorgen schlagartig aufgehört. (…) Am Tag nach der Währungsreform setzte im Hafengebiet eine größere Nachfrage nach Arbeitsstellen ein.“
(Fundst.: „Der Anfang nach dem Ende
– Mannheim 1945 bis 1949 –
Sonderveröffentlichung des Stadtarchives Mannheim 1985).

Nur ausreichende Ernährung garantiert in den Betrieben den Wiederaufbau und ein Mindestmaß an Arbeitsleistung. So entstehen in den meisten Industriewerken Werkskantinen mit eigener Lebensmittelversorgung. Bei der Daimler-Benz AG wird auf dem Werksgelände großflächig Gemüse angebaut und in den Fabriken werden Nutztiere gehalten. Eine Kantine hat einen eigenen Schweinestall. Die Tiere werden mit Abfällen aus der Kantine gefüttert. Auch Kaninchen- und Hühnerställe finden sich in den Betriebsgeländen.

Die Not indes hält weiter an. In ländlichen Gegenden werden selbst Ställe in Notunterkünfte umfunktioniert. Stadtnahe Wälder und Parks werden in den Wintern verfeuert, zerbombte Häuser nach Holz durchsucht. Glücklich kann sich schätzen, wer einen eigenen kleinen Garten besitzt, in dem er sich Gemüse anbauen und ein paar Kaninchen halten kann.

Im August 1949 gerät Hermann Kunze als Vorsitzender des Tierschutzvereines schließlich in die öffentliche Kritik, weil er ohne Beschluss der Mitgliedschaft das wieder aufgebaute Tierasyl im Waldpark mit dem dazugehörenden Wohnhaus an einen Hundeverein verkaufen will. Dem Mannheimer Verein gehört zu dieser Zeit noch die „Nebenstelle Schwetzingen“ an. Die Querelen um den geplanten Verkauf dürften die Ursache für die Absplitterung der Schwetzinger Tierfreunde sein. Mit den folgenden Streitigkeiten leidet das Ansehen des Vereines so sehr, dass es schließlich zu einem vorübergehenden Ruhen der Vereinstätigkeit kommt. Das Tierheim im Waldpark geht an die Stadt über.

Am 12.10.1950 wird der in Mannheim gedrehte Film „Wer fuhr den grauen Ford?“ uraufgeführt. In dem Streifen wird ein echter Kriminalfall des bereits erwähnten Oskar Riester nachgestellt, der zu dieser Zeit Chef der Mannheimer Kriminalpolizei ist. 1951 zieht der Mannheimer Maimarkt vom Rosengarten auf das damalige Gelände des Schlachthofes um und zeigt erstmals große Nutztierschauen.

Das Jahr 1951 steht für den Beginn des Deutschen Wirtschaftswunders. In Teheran heiratet Schah Reza Pahlewi in zweiter Ehe die knapp 18jährige deutschstämmige Prinzessin Soraya, worüber die Wochenschau in den neu eröffneten “Alhambra-Lichtspielen” berichtet. Der Film “Die Sünderin” wird dort im gleichen Jahr nur durch kurze Nacktszenen der Hauptdarstellerin Hildegard Knef zum Kassenschlager. Bei den Kritikern fällt der Film durch. Der evangelische Theologe, Musiker, Arzt, Tierschützer und Vegetarier Albert Schweitzer erhält den Friedensnobelpreis. Schweitzer sieht “in der Ehrfurcht vor dem Leben” das Fundament der Ethik.

Am 1. Juli 1952 berichten der Mannheimer Morgen und die Rhein-Neckar-Zeitung nicht nur über die Ergebnisse der ersten Filmwoche Mannheims, sondern auch von einer Versammlung von 60 Tierschützern im Mannheimer Lokal „Zähringer Löwen“. Bei dieser Zusammenkunft wird der Tierschutzverein Mannheim „neu gegründet“. Hermann Kunze wird erneut 1. Vorsitzender, Fritz Heß sein Vize.
In dem Bericht des Mannheimer Morgen ist weiter zu lesen: „Das Tierasyl im Waldpark – früher eine Domäne des Tierschutzvereines – war in den Nachkriegsjahren durch Ernst Hastreiter (…) zu einer Pflegestätte für herrenlose Tiere geworden (…). Das Asyl ist nun von der Stadtverwaltung an den Verband für das deutsche Hundewesen verpachtet worden, dem der zweite Vorsitzende des Tierschutzvereins, F. Heß, als Präsident vorsteht.“

Fritz Heß unterhält das Tierheim weiter als Asyl für herrenlose Hunde und Katzen und nimmt in der Urlaubszeit auch Pflegetiere auf. Wegen der „beträchtlichen Zahl der im Stadtgebiet aufgefundenen Hunde und Katzen, die dem amtlichen Fänger in die Schlinge fallen“ (MM vom 28.07.1952) ist die Stadt mit den Unterbringungsmöglichkeiten aber noch immer unzufrieden. „Heß“, so der MM weiter, „wird der Mitarbeit des Tierschutzvereins, der Stadtverwaltung und letztlich aller Tierfreunde bedürfen, um das neue Tierheim zu einer Stätte des Tierschutzes aufzubauen“.

Am 29. Mai 1953 wirbt der Tierschutzverein Mannheim in Lokalzeitungen um neue Mitglieder und bittet auch die ehemaligen Mitglieder, sich zu melden. Die Zusammenkünfte der Vereinsmitglieder finden zu dieser Zeit an jedem ersten Mittwoch im Monat im Lokal „Prinz Max“ in H 3 statt. Der Jahresmitgliedsbeitrag beträgt 4,- DM. Im Herbst dieses Jahres laden gleich mehrere große Kaufhäuser in Mannheim die inzwischen finanzkräftiger werdenden Bürger zum Einkauf ein. Am 16.10.1953 eröffnet das Kaufhaus „Hansa“ (später „Hertie“) in E 1 und knapp einen Monat später das Kaufhaus „Anker“ (heute „Kaufhof“) in P 1, am 20.11. die Vetter-Passage (später „Horten“, heute „Kaufhof“) in N 7. Nicht nur die Kaufkraft steigt, sondern auch die Spendenfreudigkeit, wenn es um die Tiere geht. So kann im Tierheim 1954 ein neues Katzenhaus gebaut werden, die Anlage befindet sich „in bestem Zustand“ und lockt, zusammen mit einem auf dem Gelände befindlichen, konzessionierten Lokal des Vereines sonntags „bis zu 1.000 Besucher“ in die Tierheimanlage und den angrenzenden Parkbereich.

Nach einem Zeitungsbericht im September 1954 werden im Tierheim täglich fünf bis sechs Hunde eingeliefert. In den beiden vergangenen Jahren seien es über 5.000 gewesen, von denen die meisten als nicht vermittelbar eingeschläfert werden. Am 16.1.1955 führen der Rhein und der Neckar nach schweren Stürmen und heftigen, langen Regenfällen die größten Hochwasser seit 73 Jahren. Am 17.1.1955 bricht der Hochwasserdamm des Altrheines auf der Friesenheimer Insel, wo jedoch erst viele Jahre später das Tierheim sein wird. Hochwassergefährdete Stadtteile werden evakuiert.

Im Tierschutzverein reißen trotz eines erkennbaren Aufwärtstrends die negativen Schlagzeilen nicht ab. Von personellen Schwierigkeiten bis zu unklaren Kassenverhältnissen reichen die Vorwürfe, von denen zeitweise in der Presse zu lesen ist. Ein erst wenige Monate zuvor gewählter Vorstand tritt Anfang Juli 1955 wieder ab. Am 9.7.1955 titelt der Mannheimer Morgen dann: „Erfreulicher Auftrieb beim Tierschutzverein“ und berichtet, dass der Kriminaldirektor Oskar Riester, der als großer Tierfreund bekannt ist, sich auf erneute Bitte vieler Mannheimer Tierschützer zur Wahl stellte und mit großer Mehrheit zum Ersten Vorsitzenden des Vereines gewählt wurde.

Mit dem neuen Vorsitzenden, seinen guten politischen Drähten und seinem bekannten Durchsetzungsvermögen geht der Tierschutzverein Mannheim neue und erfolgreiche Wege. Zur (Vorstands-)Mannschaft dieser Stunde gehören Hermann Schwarze als 2. Vorsitzender, Tilly Nagel als Schriftführerin, Hedi Sans als Kassenverwalterin, Dr. Paul Benz und Dr. Heinrich Bachmann als tierärztliche Beiräte, sowie als weitere Beiräte Trude Margulies, Erika Klotz, Dr. Harald Jahrl und Hans Ochs. Ab dem 3.12.1955 ist dann Trude Margulies als zweite Vorsitzende im Vereinsregister eingetragen.

Seit der Wahl Riesters finden die Mitgliederversammlungen an jedem zweiten Montag jedes Monats im „Schwarzwälder Hof“ in der Rheinhäuser Straße statt. Der Verein erhält eine neue Satzung und der Mitgliedsbeitrag beträgt 5,- DM pro Jahr. Das Tierheim kommt auf Betreiben Riesters ein Jahr später wieder unter alleinige Verwaltung des Tierschutzvereines und aufwendige Umbaumaßnahmen beginnen.

Am 28. Juli wird der Oberbürgermeister von Mannheim, Herr Dr. Hermann Heimerich verabschiedet, der am 20. August aus dem Amt scheidet. Am 31. Juli 1955 stirbt der ehemalige Oberbürgermeister Josef Braun (OB von 1945 bis 1948). Der erste Struppi-Wagen wird dem Tierheim Mannheim übergeben. 1957 wird Catarina Valente prominentes Mitglied im Verein und ein VW-Bus wird als erster „Struppi-Wagen“ in Dienst gestellt.

Ein Hund kostet in der Stadt 72,- DM Steuer pro Jahr. Im Tierheim beherbergt man in diesem Jahr 481 herrenlose Hunde und 232 herrenlose Katzen. Die Kosten für Tierfutter belaufen sich auf 4.150,- DM und die Personalkosten auf 8.870,- DM. Dann, mitten in den Erweiterungen und Baumaßnahmen im alten Tierheim, erhält der Verein die Nachricht, dass das Tierasyl der Wohnbebauung am Waldpark weichen muss.

Bereits 1959 soll Hals über Kopf mit dem Bau eines neuen Tierheimes zwischen Wallstadt und Käfertal begonnen werden, so der Mannheimer Morgen in einem Bericht vom 16.7.1958. Noch kann niemand ahnen, dass jetzt eine Odyssee auf der Suche nach einem neuen Tierheimstandort beginnt, die erst nach vielen Jahren auf der Friesenheimer Insel enden soll.

Die Suche nach dem neuen Tierheimstandort, das neue Tierheim, die Vorsitzenden Oskar Riester und Franz Kühner.

1958 rüsten die Amerikaner und die Russen um die Wette und wetteifern um die Vormacht im Raumfahrtprogramm, während sich für den Tierschutzverein Mannheim „kleinere Politik“ zu einem Problem auswächst. Am 7.8.1958 titelt der Mannheimer Morgen: „Das Tierasyl am Rande des Waldparkes muss verschwinden“. Es stört bei der weiteren Bebauung des Niederfeldes. Doch wo soll es hin? Das ist die Frage, die die Stadtplaner und die Vereinsmitglieder plagt.

Zunächst wird eine Verlegung in die Nähe der Silberpappel erwogen, jedoch angeblich wegen fehlenden Kanalanschlusses wieder verworfen. Dann wird ein Standort im Käfertaler Wald ausgesucht und das Wasserwerk protestiert. Und noch vor Jahresende ist man sich darüber im Klaren, dass das neue Tierheim auf dem „Elkesberg“, einem unbebauten Gelände zwischen Käfertal und Wallstadt seinen Platz finden wird. Es scheint, dass auch Leserbriefe von den umliegenden Anwohnern mit „schärfsten Protesten“ dies nicht verhindern können.

Zum Welttierschutztag 1959 soll mit einer groß angelegten Straßen- und Haussammlung für das neue Tierheim gesammelt werden. Mehrere Mannheimer Schulen werden angeschrieben und am Sammeltag sind mehr als 500 Sammler mit Spendenbüchsen für die gute Sache unterwegs. Am 28.5.1959 machen nicht nur die Tierheimtiere von sich reden. Die beiden Schimpansen „Abel“ und „Baker“ haben das zweifelhafte Vergnügen, als erste Zweibeiner mit einer Jupiter-Rakete der Amerikaner 15 Minuten im All zu verbringen und lebend zur Erde zurückzukehren. Die Bundeswehr erhält in diesem Jahr ihre ersten Starfighter, von denen bis 1991 mehr als 250 Maschinen bei Trainingsflügen abstürzen werden. 1960 wird der Mannheimer Rudi Altig Radweltmeister und bei den Olympischen Spielen in Rom gewinnt der Deutsche Armin Hary in 10,0 sec. die Goldmedaille über 100m.

Mannheim ist neu aus den Trümmern gewachsen. Nach und nach verschwinden die letzten Ruinen. Sie weichen einer modernen Städteplanung mit Bauten, wie dem im Jahr zuvor eingeweihten Nationaltheater. Während man sich im Tierschutzverein noch immer mit einem Standort für das neue Tierheim plagt, beginnt 1961 auch die Suche für einen Platz für das neue Rathaus. Nach Vorschlägen wie die Quadrate N 1 und D 5 oder die Unterbringung mit den Stadtwerken am Luisenring wird auch die Idee aufgegriffen, den Sitz der Bürgermeister in den unbebauten Osten zu verlegen, ein „moderner Vorschlag“, wie die Presse damals zitiert. Doch das Rathaus wird im „Herzen der Stadt“ seinen Platz finden, ganz im Gegensatz zum neuen Tierheim, das aus verständlichen Gründen irgendwo vor der Stadt platziert werden muss.

Ganz andere Baupläne beschäftigen die Deutsch-Deutsche Politik in diesem Jahr mit dem Bau der Berliner Mauer. Im Februar 1962 werden drei Tollwutfälle in Mannheim registriert. Drei Katzen sind eindeutig mit Tollwut befallen und zwei verendete Füchse werden im Käfertaler Wald gefunden, die ebenfalls von der Krankheit befallen waren. Wilde Tollwutgerüchte kursieren, harmlose Hunde geraten in Verdacht. Einige dieser Hunde werden getötet, die Untersuchungsergebnisse bleiben jedoch negativ. Eine Polizeiverordnung tritt in Kraft. Hunde dürfen fortan nur noch an der Leine und mit Maulkorb ausgeführt werden. Katzen müssen weggesperrt werden. Beim Tierschutzverein laufen die Telefone heiß. Oskar Riester steht zu dieser Zeit Trude Margulies als zweite Vorsitzende zur Seite, und die beiden haben rund um die Uhr zu tun.

Am 29. Mai 1962 schreibt die örtliche Presse, dass die Maulkörbe gerade wieder weggepackt waren und die Katzen endlich wieder raus durften, als am 19.5. in der Gartenstadt ein 16jähriges Mädchen von einer tollwütigen Katze gebissen wurde. Wieder folgen drei Monate Tollwutverordnung. Dieses Mal aber dürfen nach Intervention des Tierschutzvereines Hunde ohne Maulkorb geführt werden, sofern sie an der Leine sind. Nun müssen Hundehalter nicht mehr nach Feierabend nach Ludwigshafen pilgern, wenn sie ihrem Hund einen Auslauf ohne Maulkorb gönnen wollen.

1963 wird der US-Präsident John F. Kennedy in Dallas, Texas, ermordet. Am 1.4. nimmt das ZDF seinen Sendebetrieb auf und kann am 8.8. über den größten Raubüberfall aller Zeiten auf einen Postzug in Glasgow berichten, bei dem engl. Pfund im Wert von 28 Mio. Mark erbeutet werden. In Mannheim wurde dem Tierheim inzwischen ein Bauplatz auf dem Gewann Ecksplitt an der B 37, zwischen Seckenheim und Edingen zugewiesen. Die Pläne sind fertig und die Finanzen sind geregelt. Dann stellt das Projekt der Seckenheimer Umgehungsstraße wieder alles in Frage.

Verwalter im alten Tierheim am Waldpark ist zu dieser Zeit Franz Heinz aus Hockenheim. Oskar Riester spricht wegen der Bauplatzsuche auf der Jahreshauptversammlung 1963 von einer „Tragikomödie“. 1964 wird der Grundstein für die Vogelstang gelegt und am 4.9.1964 stirbt Albert Schweitzer. Im Januar 1965 steht schließlich fest, dass die Umgehungsstraße um Seckenheim gebaut wird und das Tierheim dort keinen Platz findet.
Im Rahmen einer entsprechenden Nachricht berichtet der Tierschutzverein auch von einem Hund aus Käfertal, der, durch Neujahrsböller erschreckt, eine Woche in Eis und Schnee herumgerannt und dann in Steinbach bei Eberbach total abgemagert gefunden worden war. Am 22.3.65 lesen die Mannheimer in ihrer Tageszeitung, dass die Stadt die Friesenheimer Insel als Standort des Tierheimes vorschlägt. Der Tierschutzverein ist einverstanden, obwohl schon damals die knapp vier Kilometer lange Wanderung ab der Haltestelle der Buslinie 55 moniert wird.

Im gleichen Jahr sorgen wieder andere Tiere für traurige Schlagzeilen. Der Zirkus Krone gastiert auf dem neuen Messplatz. Zwei Kinder zünden das Stroh vor dem Elefantenzelt an, das bald lichterloh brennt. Noch nachts werden die Elefanten mit teilweise schrecklichen Brandwunden in einem traurigen Zug zur alten Hauptfeuerwache gebracht, wo sie monatelang in Zelten gepflegt werden müssen.
Die alljährliche Straßensammlung des Tierschutzvereines anlässlich des Welttierschutztages bringt mehr als 10.000,- DM ein. 1966 werden noch im alten Tierheim 453 Hunde und 196 Katzen beherbergt. 186 Hunde und fast alle Katzen werden wegen Krankheit, Verletzungen oder, weil sie einfach nicht zu vermitteln sind, eingeschläfert. Diese für uns heute erschreckenden Zahlen waren in den damaligen Jahren keine Ausnahme.

Das Tierheim zieht auf die Friesenheimer Insel

1967 ist Wahl im Tierschutzverein und Trude Margulies wird als zweite Vorsitzende von Ilse Koob abgelöst. Vom 19. bis zum 21. Oktober diesen Jahres zieht das Tierheim dann in das neue Gelände auf der Friesenheimer Insel um – endlich. Dort, in der Nachbarschaft der Gaststätte „Dehus“, waren Fundamente, Stallungen und Wirtschaftsgebäude des seit wenigen Jahren nicht mehr bewirtschafteten Gutshofes „Weisbrod“ für 431.000 Mark umgebaut worden. Einem Bericht des Mannheimer Morgen zu Folge ist das Mannheimer Tierheim nun das modernste in der ganzen Bundesrepublik. Das Gelände gehört der Stadt Mannheim. Von ihr wird auch in der Hauptsache der Umbau finanziert. 20 Hunde- und 21 Katzenboxen stehen zur Verfügung.

Den Verantwortlichen des Tierschutzvereins ist klar, dass die Kapazität nicht ausreicht und ein neues, zusätzliches Hundehaus mit weiteren 30 Hundeboxen wird auf Kosten des Tierschutzvereines gebaut. Sogar Innenminister Walter Krause steht für diesen Zweck im Oktober 1967 mit der Sammelbüchse auf dem Paradeplatz. Das neue Tierheim verfügt zum Jahresende auch über eine Futterküche mit einem 100-Liter-Schnellkochkessel im Wert von 3.400 Mark. Rund um das Tierheim und im Gelände selbst versinken die Besucher noch Knöcheltief im weichen Sand.

Um die Anlage kümmert sich zu dieser Zeit der Tierheimverwalter Walter Dauth und um die Tiere die beiden Tierärzte Dr. Heinrich Bachmann und Dr. Herbert Boos. Die 66jährige Kassenverwalterin des Vereines, Hedi Sans, zieht mit vielen anderen Tierfreunden Monate lang jeden Tag zum neuen Tierheim, um dort zu putzen und zu arbeiten. Der neue Struppi-Wagen, ein VW-Bus für Tiertransporte ist in Rufbereitschaft Tag und Nacht einsatzbereit.

Der Bau einer Voliere ist in Planung, und für die Pflege eines Hundes werden im neuen Tierheim pro Tag 3,50 Mark fällig. In Mannheim lebt in dieser Zeit in jedem vierten Haushalt ein Tier. 1968 werden wieder 95 Hunde und 249 Katzen eingeschläfert. Auch Privatpersonen können den Struppi-Wagen für Tiertransporte anfordern. Eine Fahrt im Stadtgebiet kostet 8,- Mark. Das Tierheim ist zur Besichtigung für Besucher jeden Tag von 8-12 und 14-16 Uhr geöffnet. Im Sommer 1968 wird der Pflegesatz für Hunde auf 4,- Mark erhöht und die Bundeswehr verliert ihren 100. Starfighter, was freilich nichts miteinander zu tun hat.

Herr Dauth ist auch 1970 noch Verwalter des Heimes. Die Personalkosten für das gesamte Tierheimpersonal (zwei Familien leben und arbeiten hier) betragen 34.400,- Mark. Das Vereinsvermögen wird auf 150.000,- Mark beziffert. Der Verein hat neben dem Vorstand einen Beirat aus 12 Personen im Alter von 17 bis 85 Jahren. Die Kassenbestände können bald einfacher berechnet werden, denn 1971 kommt der erste Taschenrechner von Texas Instruments auf den Markt. Er beherrscht die 4 Grundrechenarten und wiegt noch mehr als 1 kg. Armbanduhren werden hochgenau durch batteriegetriebene Schwingquarz-Steuerung. Nach der Oetker-Entführung vom Vorjahr wird nun einer der “Aldi-Brüder” entführt und gegen ein Lösegeld von 7 Mio. DM durch Vermittlung von Bischof Hengsbach wieder freigelassen.

1972 ruft der Tierschutzverein Mannheim wieder zur Sammlung am Welttierschutztag auf, aber die Zahl der Sammler wird immer kleiner. 1975 beherrscht die Bundesgartenschau Mannheim. 1977 wird in Russland ein seit ca. 40.000 Jahren eingefrorenes Mammutbaby in guterhaltenem Zustand entdeckt, und der Pockenvirus gilt als ausgerottet. In diesen Jahren beherrschen Meldungen über Anschläge der RAF die Gazetten und die seriösen Tagesblätter. 1977 kommt es mit der Ermordung von Hanns Martin Schleyer, Siegfried Buback und Jürgen Ponto zum Höhepunkt der RAF-Mordanschläge. Eine Boing 737 wird nach Mogadischu entführt und die Geiseln werden von der GSG 9 befreit. Am selben Tag nehmen sich in Stuttgart Stammheim die dort inhaftierten Terroristen Baader, Ensslin und Raspe das Leben.

Für Tierschutzarbeit eines städtischen Vereines bleibt verständlicherweise wenig Raum in der Presse.
Doch 1979 berichtet der Mannheimer Morgen wieder von einer Jahreshauptversammlung des Vereines, auf der Frau Ilse Koob von Frau Waltraud Mansfelder als 2. Vorsitzende abgelöst wird. Werner Layer ist Kassenführer. So nebenbei läuft in diesem Jahr der letzte VW-Käfer im Werk Emden vom Band. 1979 gelingt es Wissenschaftlern, gentechnisch geklonte Mäuse zu züchten. Mit zunehmender Forschung steigt die Zahl der bundesweit verbrauchten Tiere in Tierversuchen in astronomische Höhen. Im Tierheim sind in diesem Jahr 976 Hunde und 581 Katzen zu Gast. 145 Hunde und 273 Katzen werden eingeschläfert. Der Verein hat 1113 Mitglieder. Der Tierheimchef ist Georg Huber, der später von Angelika Jöst abgelöst wird. Die Tierärzte im Tierheim sind Dr. Bachmann und Dr. Kilian. Der Beitrag für Mitglieder wird von 6 auf 10,- Mark erhöht und die Stadt Mannheim kassiert für einen Hund 120,- Mark (wie immer bei den Spitzenreitern i.S. Hundesteuer). München will von den Hundehaltern zu dieser Zeit 60,- Mark.

1981 plant die Stadt den Anschluss des Tierheimes an die Trinkwasserversorgung. Bisher stand nur Brunnenwasser zur Verfügung, welches jedoch nach neuen Messungen auf der Friesenheimer Insel zu stark mit Schadstoffen belastet ist.

Oskar Riester übergibt den Verein 1982 an Franz Kühner

Oskar Riester hatte mit viel Engagement und vor allem Durchsetzungsvermögen den Verein aus der schwierigen Nachkriegsphase geführt und zu einem starken Verband in Sache Tierschutz gemacht. Der rechte Mann zur rechten Zeit. Nachdem die Spendenfreudigkeit in der Bevölkerung und in den kleinen und mittelständischen Betrieben deutlich nachlässt, muss der Verein und das Tierheim wie ein Gewerbebetrieb geführt werden. Ein Manager muss her. Kühner ist der Richtige, was sich auch in den Folgejahren erweist. Der „Dienstleistungsbetrieb Tierheim“ wird neu definiert. Verhandlungen mit der Stadt Mannheim werden bald aufgenommen, die per Vertrag für eine gerechtere Bezahlung sorgen. Es ist reiner Zufall, dass im Jahr 1983 auch der Meter neu definiert wird, als die Strecke, welche das Licht in 1/299,792,458 sec durchläuft.

Im mit 13 Wochen dauernden längsten Arbeitskampf der bundesrepublikanischen Geschichte erkämpft die IG Druck und Papier 1984 die 38,5-Std-Woche. Natürlich partizipiert auch die Tierheimbelegschaft. Oskar Riester scheidet in diesem Jahr auch als 2. Vorsitzender aus. Johann Georg Dill wird sein Nachfolger.

1988 wird erstmals ein Wirbeltier patentiert: Das US Patent Nummer 47368666 wird für eine gentechnisch manipulierte Maus erteilt, deren genetischer Fingerabdruck mit dem des Muttertieres übereinstimmt. 1989 fällt die Berliner Mauer. Die beiden Deutschen Staaten werden wieder zu einer Nation. 1990 werden vom Tierheim Mannheim mehr als 2000 Ratten aus der Wohnung einer geistig Verwirrten in der Lupinenstraße geholt. Die Tiere müssen alle vom Tierarzt getötet werden. Zum Tag der offenen Tür kommen in diesem Jahr 1300 Besucher ins Tierheim. Der Tierfreund Friedrich Dill stirbt und hinterlässt dem Verein etwa 800.000 DM.

Frau Liselotte Freudenberger wird anstelle von Werner Layer im Jahr 1990 Kassenführerin des Vereines. Während von 1982 bis 1997 der zweite Vorsitz fünfmal wechselt, führt Franz Kühner den Verein 24 Jahre lang bis zum März 2006 und wird danach Ehrenvorsitzender der Mannheimer Tierschützer.

Recherchiert und zusammengestellt vor dem Hintergrund der Mannheimer Stadtgeschichte von Herbert Rückert.